Foto: Adrian Zendeh

 

Tempel im Gehör

El Perro Andaluz, Dresden, Deutschland


Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung!
O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr!
Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung
ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor.

Tiere aus Stille drangen aus dem klaren
gelösten Wald von Lager und Genist;
und da ergab sich, daß sie nicht aus List
und nicht aus Angst in sich so leise waren,

sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr
schien klein in ihren Herzen. Und wo eben
kaum eine Hütte war, dies zu empfangen,
 

ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen
mit einem Zugang, dessen Pfosten beben, -
da schufst du ihnen Tempel im Gehör.

– Rainer Maria Rilke, Erstes Sonett an Orpheus

In Anlehnung dieses Gedicht Rainer Maria Rilkes schafft die Gruppe Acantun eine abendfüllende Gemeinschaftskomposition unter dem Titel Tempel im Gehör. Die sechs Komponistinnen und Komponisten aus vier Ländern präsentieren sich bei dieser Gelegenheit erstmals der Öffentlichkeit gemeinschaftlich und arbeiten mit dem südkoreanischen Lichtkünstler Geohwan Ju zusammen. Entstehen soll ein Parcours, dessen sechs Stationen so angelegt sind, dass verschiedene Hörperspektiven für das Publikum entstehen. Die erklingenden Stücke werden so aus der Ferne, via Funkkopfhörer oder in Nähe der Ausführenden wahrgenommen. Dadurch verknüpfen sich die Klänge mit jeweils individuellen optischen Eindrücken, während die Lichtinstallation eine Verbindung zwischen den Orten schafft. Die Ernst von Siemens Musikstiftung ermöglicht die Kompositionsaufträge, die das Ensemble El Perro Andaluz an Enrico Olivanti, Christa Abels, Tamara Ilabaca, Christian Mietke, Alberto Arroyo und Niklas Bladt vergibt.


Weitere Informationen:
elperroandaluz.de