Luke Bedford

Brennglas und Lupe

Fokussierung und Vergrößerung, Konzentration und Entfaltung – es sind derlei gegenläufige Dynamiken, die die Musik Luke Bedfords in charakteristischer Weise durchziehen. Auf der einen Seite zeigt sich in ihr ein ausgeprägtes Interesse für das Detail und die einzelne, durchaus traditionelle Geste, für die Trouvaille aus dem Fundus der Überlieferung; auf der anderen Seite gewinnt sie ihre spezifische Klanglichkeit aus der Multiplikation dieser Gesten und ihrer Übertragung auf den großen Apparat. Dieser – als Orchester oder Ensemble – erscheint als der angestammte Ort für Luke Bedfords kompositorische Fantasie, ein Laboratorium, in dem er neue Klangmöglichkeiten erkundet und die Potentiale der ihnen zugrunde liegenden Gesten oder Bewegungsmuster auslotet. In dem Ensemblestück By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008) beherrscht beispielsweise eine einfache Arpeggiofigur den musikalischen Aufriss und Fortgang. Aus ihren mannigfaltigen rhythmischen Varianten und deren vielfacher Schichtung entstehen mal gleißende, mal abgetönte Farbflächen, ehe die Figur am Ende ihre ohnehin variable Physiognomie verliert und in Geräusch umschlägt.

Was sich in diesem und in anderen Stücken Luke Bedfords musikalisch ereignet, ist direkt aus dem instrumentalen Apparat heraus erfunden: Figur, Klangfarbe und Harmonik bilden eine komplexe Einheit, die die Unterscheidung zwischen primären und nachrangigen Parametern obsolet werden lässt. Und auch die elementare Differenz von Horizontale und Vertikale, von Linie und Akkord, verflüchtigt sich unter dem klangfarblich dominierten Zugriff – so in den ersten Stücken aus Bedfords Liederzyklus Or Voit Tout En Aventure (2005/06): Die ausinstrumentierten Töne der Gesangsmelodie summieren sich hier in der Folge ihres Eintretens zu begleitenden Akkorden, Klang und Linie sind ineinander verschränkt. Gleiches gilt für Outblaze the Sky (2006), dessen orchestrale Emphase sich aus der Potenzierung einer quasi Mahlerschen Geste ergibt. Das Sichversenken in die berückende Einzelheit, deren Vervielfältigung und die Ableitung großflächiger, genuin orchestraler Texturen aus ihr – aus diesen kompositorischen Verfahren erwächst schließlich jene gleichsam subjektlose Intensität, die die Faszinationskraft der Musik Luke Bedfords ausmacht.

Markus Böggemann